Tankred Stachelhaus

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KRITIK

REPORTAGE

INTERVIEW

AUSGESTELLT

DOSSIERS

DOSSIER: Ruhr-Atoll

Chronologie

Im Januar 2005 stellt  Norbert Bauer euphorisch sein "Folkwang-Atoll" erstmals vor (->INSELN DER KUNST). Es folgte eine lange und zähe Planungsphase (ebenso zäher Artikel, der mal ganz lang einen ganz kurz andauernden Zwischenstand und die großen Erwartungen an das Projekt widerspiegelt:  ->KUNST, ENERGIE UND GESCHICHTE VERBINDEN). Aber irgendwann tauchte dann tatsächlich die erste Insel des "Ruhr-Atolls" auf (-> ABWARTEN UND TEE TRINKEN). Die Überführungsfahrt des U-Boots ist ein Ereignis. (-> BEKLEMMEND UND BEFREIEND). Die Eröffnung wird gebührend gefeiert. (-> AH, TOLL - DIE ZUKUNFT).


Nachschlag:

Eine Insel kam überraschend während der Laufzeit des Ruhr-Atolls  ins Spiel: "Marking Time" von Norbert Francis Attard. Die Anzahl der nötigen Äpfel für die Wasserinstallation schwankte. Aber egal: Die Insel wurde am Ende nicht realisiert. Aber die DIskussion darüber war recht lebhaft (->APFELINSEL).



Inseln der Kunst

Ausstellungsmacher will 25 kreativ gestaltete Plattformen im Baldeneysee verankern.

Ein Eisberg, eine Tropeninsel und eine Insel, auf der ein riesiger Brummkreisel rotiert - so könnten drei von 25 geplanten, von Künstlern gestalteten Plattformen aussehen, die von Mai bis Oktober 2007 im Baldeneysee verankert werden sollen. "Könnten", wohlgemerkt, denn eine solche genaue Beschreibung der Inseln hält Ideengeber Norbert Bauer zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch für eine zu plakative Reduzierung. Alles andere als reduziert lobt indes Kulturdezernent Oliver Scheytt das Konzept des Langenberger Ausstellungsmachers, der von einer "einmaligen Vernetzung der Kunstlandschaft" und einer "Fortführung des IBA-Emscherpark-Gedankens" spricht. Nun rangiert das "Folkwang-Atoll" beim Bewerbungsbüro für die Kulturhauptstadt ganz oben auf der Liste von "Referenzprojekten", die das Warten auf das Jahr 2010 verkürzen sollen.

Norbert Bauer, der in Langenberg 1997 und 2000 die bundesweit für Aufsehen sorgenden Ausstellungen "Tuchfühlung I+II" stemmte, hat eine beachtliche Zahl von renommierten Unterstützern ins Boot geholt: Künstler wie Micha Kuball, Bogomir Ecker, Tony Cragg, Klaus Rinke und Thomas Schütte; Kuratoren wie (Noch-)Folkwang-Chef Hubertus Gaßner und Manfred Schneckenburger, den Leiter der Documenta 6 und 8; Politiker wie Rita Süßmuth, die in einem Empfehlungsschreiben darlegt, dass Kunst am Beispiel des Folkwang-Atolls für die bedrohte Ökologie sensibilisieren kann; und Forscher wie Ernst Ulrich von Weizsäcker, die dem Leitmotiv "Kunst ist Energie, Energie ist Bewegung" ein wissenschaftliches Fundament geben. Hinzu kommen verschiedene beratende Institutionen und Personen, die sich um die fachliche Realisation des Projekts kümmern sollen.

"Es geht nicht darum, Kunst aufs Wasser zu stellen", erklärt Bauer. "Die beteiligten Künstler sollen sich ans Konzept halten." Und dieses, von Bauer beim Joggen rund um den See erstmals erdachte und bei einem Besuch im Leonardo-Museum in Vinci konkretisierte Konzept sieht vor, Künstler, Philosophen und Wissenschaftler auf das Folkwang-Atoll an- und auszusetzen, um "unter Ausnutzung regenerativer Energieressourcen wie Wasser, Wind, Sonne und Kreativität Kunstwerke zu generieren." Die Wissenschaft nimmt das Angebot an: "Im Energiebereich ist heute ein hohes Maß an Inspirationsfähigkeit erforderlich, das der Kunst zu eigen ist", meint von Weizsäcker. Sie sei zudem ein Transportmedium, um die Energieversorgung mit ihren vielfältigen Facetten wieder in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken.

Das Publikum soll die 100 bis 150 Quadratmeter großen, künstlerisch gestalteten Plattformen an der Kampmannbrücke in Kupferdreh mit mietbaren Tret- oder Ruderbooten erschließen. Die Kosten für das Spektakel schätzt Bauer auf drei bis vier Millionen Euro. Doch vorerst bewilligten Sponsoren erstmal 80 000 Euro. Damit werden etwa die Modelle im Maßstab 1:10 finanziert, die voraussichtlich im Februar und März auf einem künstlich angelegten See auf Zollverein präsentiert werden sollen. (NRZ / Tankred Stachelhaus  4. Januar 2005)


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Kunst, Energie und Geschichte verbinden

Chancen des "Folkwang-Atolls"

In Werden soll womöglich ein großes Projekt der Kulturhauptstadt Europas 2010 verankert werden: das „Folkwang-Atoll“. Auf Einladung der Werdener Nachrichten sprachen die Verantwortlichen Norbert Bauer, Oliver Scheytt und Dieter Gorny mit Vertreter von Werdener und Essener Institutionen, Parteien und Vereinen. An den Kunstinseln schwappten unter der Moderation von Gereon Buchholz einige Fragen hoch: Wie kann das Vorhaben unterstützt werden? Mit welchen Problemen ist zu rechnen? Welche Chancen bieten sich? Wie präsentiert sich Werden generell im Jahr 2010? Frei nach dem Leitbild des Folkwang-Atolls „Kunst ist Energie – Energie ist Bewegung“ bewegte die Diskussionsrunde im Haus Fuhr zu ersten Schritten für eine vielleicht energiegeladene Kooperation.

Norbert Bauer, der in Langenberg 1997 und 2000 die viel beachteten Ausstellungen „Tuchfühlung I+II“ organisiert hat, stellte sein beim Joggen um den Baldeneysee erstmals erdachte und bei einem Besuch im Leonardo-Museum in Vinci konkretisierte Projekt vor, das viele renommierte Unterstützer wie Rita Süssmuth oder Ulrich von Weizsäcker gewonnen hat. Auf 25 von Künstlern und Wissenschaftlern entworfenen und in der Ruhr verankerten Plattformen sollen „künstlerische und physikalische Energie“ zusammengeführt werden.

„Auf ständiger Flucht vor Vogelschützern“, wie Bauer anmerkte, und mit der Sogwirkung der Kulturhauptstadt sei das Projekt örtlich und zeitlich verschoben worden. Geplant war es ursprünglich für das Jahr 2007 rund um die Kupferdreher Kampmannbrücke. Den neuen Standort und die Einbettung in „2010“ hält der Ausstellungsmacher für einen Glücksfall: „Werden hat ein unglaubliches Potenzial und ist bei Sponsoren gut zu vermarkten“, sagte Bauer. Leicht vermittelbar sei ein „Freizeitpaket“ mit einer Fahrt zu den Inseln und beispielsweise einem anschließenden Besuch der Basilika. Die aktuelle Diskussion um den Klimawandel habe zudem dem „Folkwang-Atoll“ eine enorme Brisanz verliehen.

„Wir versuchen über Kunst diese Thematik zu kommunizieren“, betonte Bauer, der eine Reihe von Modellen und Ideen präsentierte. Etwa einen schwimmenden Regenwald mit feuchter Dunstglocke von Marcus Kaiser, ein Teehaus mit angeschlossenem Garten von  Kazuo Katase und Michael Wilkens und eine poetische Skulptureninsel von Gloria Friedmann, auf der einer große Figur eine (Welt-)Kugel entgleitet und solarbetriebene Skelette sich am Boden winden. Ilya und Emilia Kabakow reichten ein „Projekt zum Schutz der natürlichen Ressourcen“ mit Windrädern, Wasserrohre, Tanks und einem Laboratorium ein. Otto Piene entwarf einen gelben „Lichtkreisel“ aus Spielplatzgeräten.

Als vorbildliche Umsetzung der Atoll-Idee lobte Bauer das Gemeinschaftswerk des Essener Künstlers Rudolf Knubel mit dem Meeresbiologen Peter van Treeck. Durch die Zufuhr von Wind- und Solarenergie soll eine Skulptur in einem mit Wasser gefülltem Glaszylinder allmählich verkalken. Van Treecken setzt dieses Verfahren sonst dazu ein, in Jordanien künstliche Riffs anzulegen. Joep van Lieshout wird eine Skulptur zu Wasser lassen, die auf alternative Kraftstoffe verweist: eine Figur, die mit ihrem „natürlichen“ Brennstoff ein Auto betankt. Amüsiert erfuhr die Runde im Haus Fuhr von der ursprünglichen Idee des Rotterdammer Künstlers: Imbissstände am Ruhrufer und Dixi-Klos auf der Insel, die für Nachschub an Biogasen für eine Fackel sorgen.

Teilweise, so kündigte der Ausstellungsmacher an, würden die Entwürfe für die rund 100 Quadratmeter großen Plattformen in künstlerischer wie technischer Hinsicht noch überarbeitet. So sei es noch offen, ob das tellerförmige Amphitheater von Stefan Sous nicht vollläuft oder die pneumatische Meduse von Miriam Giessler und Hubert Sandmann jemals mit gurgelnden Geräuschen sich durch das Licht der Sonne aufbläst. Bauer: „Nur zehn Prozent des Aufwandes für das Folkwang-Atoll ist Kunst, der Rest ist Technik.“

Das Atoll soll sich im Sommer 2010 vom Baldeneysee oberhalb des Wehrs bis hinunter zum Löwental erstrecken. Je nach Lage müssen bei den verankerten 25 Plattformen die Strömungsgeschwindigkeit oder Hochwassergefährdung berücksichtigt werden. Bei Gefahr im Verzug könnten laut Bauer die Inseln rasch ans Ruhrufer geschleppt und mit einem Autokran herausgehoben werden. Lediglich ein Drittel der Plattformen könne betreten werden – aus Kostengründen, da ein Rettungsschwimmer ein Auge auf Inselgäste halten muss. Ohnehin steht aber die Fahrt rund um die Inseln im Vordergrund. 80 bis 100 eigens von Wissenschaftlern entwickelte Boote mit Solar- oder Wasserstoffantrieb sollen kunst- und wissenschaftsbegeisterte Besucher transportieren. Daneben will Bauer die Brehminsel unter anderem mit einem „Muse-Labor“ der Yehudi Menuhin Stiftung mit einbeziehen. „Die Spiel- und Freizeitflächen werden nicht von uns berührt“, erklärte Bauer.

Ob das Folkwang-Atoll tatsächlich „2010“ in Werden auftaucht? Bauer versprach: „Ich mache das Projekt mit oder ohne Kulturhauptstadt.“ Ungeklärt ist ein nicht ganz unwesentliches Detail: die Finanzierung, was wiederum mit dem noch fehlenden verbindlichen Startsignal aus dem Kulturhauptstadtbüro zusammenhängt. „Wir stehen in der Warteschleife, mit durchgescheuertem Boden vom Hufescharren!“ Das Projekt wird laut Bauer über vier Millionen Euro kosten. Dabei sollen so wenig wie möglich – höchstens 25 Prozent - öffentliche Mittel beansprucht werden. „Ich kann gut Geld besorgen“, versprach der Ausstellungsmacher, „aber nicht verwalten“ – weshalb ihm Wirtschaftsprüfer zur Seite stünden: Die Werdener Atolle sollen nicht als Pleiteprojekt für Schlagzeilen sorgen.

Oliver Scheytt, Geschäftsführer der Ruhr 2010 GmbH, betonte im Haus Fuhr, dass das Projekt weit entwickelt, aber auch umstritten sei. „Herr Bauer präsentiert uns immer neue Kosten.“ Letztendlich entscheide das Direktorium, das am 1. April die Arbeit aufnimmt. Indes: „Ich bin von dem Projekt überzeugt.“ Mit dem Folkwang-Atoll sei man am Puls der Zeit. Besonders die Brechung, an einem idyllischen Freizeitort eine der wichtigsten Fragen der Welt zu diskutieren – die Energie – mache für ihn das Projekt spannend. Die Aktualität des Atolls hätten auch andere Städte erkannt. Es habe Anfragen gegeben, das Projekt über die ganze Ruhr zu ziehen. „Ich finde einen konzentrierten Ort aber besser.“

„Für mich ist das wie die Reichstagsverhüllung von Berlin“, sagte Rolf Sachtleben. Der Vorsitzende des Werdener Werberings erinnerte aber auch an fehlende Busparkplätze, lediglich sechs Hotelbetten und daran, dass es keine zentrale Anlaufstelle für Touristen gebe. Ingolf Homberger von der FDP Bezirksvertretung fragte sich, wie mit den „Hinterlassenschaften“ der Besucher umzugehen sei und mahnte das Parkplatzproblem an. An Bauer gerichtet sagte er: „Da hoffe ich auf ihre Mitarbeit.“

Heribert Rüsing von den Grünen stellte heraus, es sei „falsch, als erstes über Toiletten und Parkplätze zu reden“. Sicherlich müsste man noch viel tun, um Vorbehalte und Ängste abzubauen. In der Bezirksvertretung habe es bereits ein „Riesenbündel an Bedenken“ gegeben. Aber: „Wenn Werden das sich entgehen lässt...“ Das Projekt berge die Chance, 1200 Jahre Werden mit Ökologie und Energie zu verbinden.

Eine Schätzung über die Anzahl von Besuchern konnte Bauer nicht geben. Als Vergleichszahl gab er 600.000 Gäste an, die die „Tuchfühlung I“ in Langenberg angesteuert haben „Man sollte den Besucheransturm aber nicht überschätzen“, meinte Oliver Scheytt. Werden und das Naherholungsgebiet des Baldeneysees würden schon jetzt ausreichend Kapazität für zahlreiche Gäste bieten. Es handele sich nicht um eine Van Gogh-Ausstellung, wo Besucher zu einem Zeitpunkt durch eine Kasse geschleust werden müssten. Dieter Gorny, designierter Ruhr 2010-Direktor für „Kreativwirtschaft“ ergänzte in der Diskussionsrunde, dass Werden ja durchaus Erfahrung mit Großveranstaltungen habe – etwa am Pfingstwochenende.

Friedhelm Tanski stellte den „Kräutergarten“ vor, mit dem sich die Kulturgemeinde Werden an der Kulturhaupstadt Europa 2010 beteiligen will – „ganz ohne öffentliche Mittel“, wie der Vorsitzende  bemerkte. An ihm wurde von Bauer die Frage herangetragen, ob nicht ein Führungsprogramm seitens der örtlichen Vereine auf die Beine gestellt werden könnte. Nebenbei rief der Künstler Rudolf Knubel in Erinnerung, dass über Werden ein Nebenweg des Pilgerpfades „Jacobsweg“ führt – ein Ball, der von den Vertretern der katholischen und auch evangelischen Gemeinde dankbar aufgegriffen wurde. „Die Kirchen werden zum Kulturhauptstadtjahr ihr Pfund in die Waagschale werfen“, sagte Superintendent Irmenfried Mundt. Die in Werden gelebte Ökomene sei auch in europäischer Dimension „aufregend“. Barbara Scharenberg, Vorsitzende des Pfarrgemeinderates St. Ludgerus, hob hervor, dass durch das Folkwang-Atoll durchaus auch die „christliche Energie“ zum Tragen kommt.

„Machen Sie ein eigenes Projekt daraus!“ schlug Dieter Gorny vor. Der Jacobsweg könne ein Beispiel dafür sein, dass nicht nur kreative, sondern auch historische Gründe zur Kulturhauptstadt Europas gehören und einen Schub in den Stadtteil bringen. Wichtig sei jedoch wie bei allen „offiziellen“ Projekten der Aspekt der Nachhaltigkeit. Dabei verglich er das Ruhrgebiet mit einem Haus. „Wir feiern 2010 Richtfest und wollen, dass die Leute nicht nur einziehen, sondern auch Miete zahlen.“ (WN / Tankred Stachelhaus  16. März 2007)


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Abwärten und Tee trinken

Die erste Insel nimmt Formen an

"Ist ein Auftrag wie jeder andere auch", meint Markus Popall, taucht den Pinsel in den schwarzen Lack und streicht einen hölzernen Pflanzenkübel. Immerhin kann der 28-Jährige das jetzt machen, gestern war die Farbe aus. Abwarten und Tee trinken hieß da Devise im Teehaus von Kazuo Katase und Michael Wilkens. Doch heute vormittag wird alles aufgeholt.

„Tschong, tschong, tschong", der mit Pressluft betriebene automatische Hammer hört sich an wie eine asiatische Silbe. Kazuo Katase sucht ein paar Platten heraus und reicht sie dem Arbeiter, der sie schnell auf Bretter nagelt. Ein Kran hieft das Dachelement hinüber zum Rohbau vor der Regatta-Tribüne. Katase zieht an seiner Zigarette. Heute Mittag soll die Insel schon zum Bootshaus auf die andere Seite des Baldeneysees herübergeschleppt werden. Bis dahin muss die Grundkonstruktion stehen. Der technische Leiter Matthias Nitsche ist noch nicht eingetroffen. Gestern brauste er noch mit seinem Jaguar zwischen der Atoll-Halle an der Ruhrtalstraße, dem Bootshaus und der RegattaTribüne hin und her.

Sechs Leute bauen die Insel auf, ein Projekt der Essener Arbeit mit Ein-Euro-Jobbern. Sie bauen das zusammen, was einmal künstlerisch für die Grundbedürfnisse des Menschen steht: Fester Boden unter den Füßen, ein Dach über dem Kopf, Wasser und Nahrung. Es ist auch ein Haus für sie.

So prominent an der Seepromenade gelegen, schauen viele Spaziergänger dem Aufbauteam zu. Immer wieder holen Leute ihre Digitalkamera heraus. Wenn die Ruhr-Atoll-Insel nicht wäre, würden sie vielleicht den See fotografieren. Aber so verbreiten sie die Nachricht von dem Kunstspektakel auf dem Wasser in der Region. (WN / Tankred Stachelhaus 16. April 2010)


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"Beklemmend und befreiend"

Fahrt des U-Bootes wurde zum Ereignis

Der Krieg ist in Werden angekommen; ein Krieg um Energieressourcen. Gekämpft wird mit Informationen und Desinformationen; mit Bilderfluten, die die Wahrheit unter spülen, die da laut Immanuel Kant letztlich heißt: „Ich kann, weil ich will, was ich muss. „Bedrohlich schaut das U-Boot aus, als es hinter dem alten Werdener Strandbad auftaucht und dem Lauf der Ruhr in Richtung Baldeneysee folgt. Torpedos und Raketen kommen nicht zum Einsatz: Die bloße Machtdemonstration genügt und verfehlt ihre Wirkung nicht. Zahlreiche Schaulustige rieben sich die Augen: Ein U-Boot in Werden? 

Die Insel mit dem bedrohlichen Äußeren und dem an eine Kathedrale erinnernden Inneren ist das einzige konkret politische Werk innerhalb des Ruhr-Atolls. „Die gesellschaftliche Relevant habe ich immer gewollt“, sagt Atoll-Chef Norbert Bauer.

8000 Bilder hat der in Köln und Barcelona lebende Künstler Andreas Martin Kaufmann aus öffentlichen Quellen zusammengesucht, als Collage auf eine große Folie drucken und das U-Boot damit auskleiden lassen. Der erwähnte Kant‘sche Spruch wurde in den Turm gesägt, das Tages- licht lässt ihn im Inneren hinter der Folie aufleuchten. Die oberen Bilder stehen für Sehnsüchte, etwa ein Raumschiff oder ein schöner Schrank. Im mittleren Bereich kommt etwa mit Technikbildern das Rationale zum Tragen. Und unten „gärt‘s“, wie Kaufmann sagt. So wie „Ich kannst, weil ich will, was ich muss“, die Möglichkeiten des Handelns zwischen Freiheit, Wunsch und Notwendigkeit offenbart, So soll auch die gleichnamige Insel „Ich kann...“ zeigen, dass der Mensch durch seine Entscheidungen immer noch in sein Schicksal eingreifen kann.

Maximal acht Personen können diesen meditativen Turm-Raum gleichzeitig erfahren, mehr dürfen nicht hinein. Das Werk wurde in Zusammenarbeit mit dem Medienwissenschaftler Hans Ulrich Reck geschaffen. „Kunst ist auch ein Wissensspeicher, nur mit anderen Methoden der Codierung“, betont Kaufmann. Die beiden versuchten sich mit ihrer Arbeit zwischen logischen“, sprich herkömmlichen Energien wie Strom und Wasserkraft und Energien, die die Kreativität befördern, zu bewegen.

Das U-Boot von der Duisburger „Meidericher Schiffs werft“ zum Baldeneysee zu befördern, das bewegte eine Reih e von Ingenieuren, Logistikern und Bootsführern. im Konvoi ging es die Ruhr hinauf. Geschoben wurde das Kunst- werk von dem Arbeitsschiff des Ruhrverbands „Pionier“. Drei Stundenkilometer über den Grund durfte die maximale Geschwindigkeit betragen, Bei mehr Fahrt wäre es abgetaucht sonst hätte der Schwimmkörper zur Tauchfahrt angesetzt, wie vorab ausgerechnet wurde. Bootsführer Gottfried Krause setzte hingegen auf seine Erfahrung und gab Stoff: Mit sieben Stundenkilometer braucht e der von der gelben „Bussard“ der Stromaufsicht mit Blau licht angeführte Treck nur sieben Stunden zum Zielort. „Wir wären aber schneller gewesen, wenn wir nicht so oft hätten anhalten müssen“, sagt Krause.

Für die Verzögerung sorgte die „MS Steele“. Immer wieder legte das Schiff der Weißen Flotte an. Darauf begleiteten der Künstler, die Macher, Sponsoren und Journalisten das U-Boot; und wer dabei war, fühlte sich doch an einem recht bedeutsamen Spektakel beteiligt. Ein U-Boot auf der Ruhr! Kaum einer konnte währ end der Fahrt den Blick von dem Ungetüm lassen, das besonders furchteinflößend aus schaute, wenn die „Pionier“ hinter ihrem Turm fast verschwand — auch wenn noch die Flügel und die Spitze des Aufbaus fehlten. Damit diese nicht an Brücken und in der Schleuse hängen blieben, transportierte sie ein Schiff des Wasser- und Schiffsamtes Duisburg hinterher.

Auf einer improvisierten Pressekonferenz im Bauch der „MS Steele“ sagte Ruhr.2010-Geschäftsführer Oliver Scheytt. „Bei dem U-Boot geht es darum, wie setzt man sich mit Energie - auch kriegerisch -  auseinander?“ Es sei eine beklemmende, sehr nachdenklich machende - aber auch „befreiende“ Insel.

Norbert Bauer blickte entspannt auf das U-Boot. Für ihn war es vielleicht die einfachste Insel des Ruhr-Atolls: bestellt und ausgeliefert. Aber diese jetzt tatsächlich nach der jahrelangem und sicherlich nicht einfachem Einsatz für das Projekt zu sehen, das war für ihn ebenfalls befreiend, ein „Gänsehaut-Moment“, wie er sagt.

Viele, viele Bilder schossen die Fotografen und Schaulustigen vom U-Boot entlang der Strecke und unzählige Fotos dürften auf dem Baldeneysee folgen: eine vom Kunstwerk selbst ausgelöste Bilderflut. Es bleibt jedem selbst überlassen, ob er eintaucht: „Ich kann, weil ich will, was ich muss." (WN / Tankred Stachelhaus 7. Mai 2010)


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Ah, toll, die Zukunft

Vier Inseln werden heute mit einem Fest eröffnet, zwei weitere folgen im Juni

Seine Funktion als Flusskläranlage hat der Baldeneysee längst verloren, nun soll am Stauwehr etwas ganz anderes geklärt werden: die Zukunft. Nach fünfjähriger Vorbereitungszeit wird das „Ruhr Atoll“ feierlich eröffnet.

Ruhr-Atoll, das ist eine Kulturhauptstadts-Geschichte nach dem Vorbild der „Zehn kleinen Negerlein“: Bei jeder Präsentation war es mindestens ein Kunstwerk weniger. Initiator Norbert Bauer führt dies vor allem auf die Finanzkrise zurück. Von einst über 20 geplanten Inseln sind nur sechs nicht untergegangen, wobei der Rettungsring „Local/Global“ und die Apfelinsel „Marking Time“ erst zum Festival Extraschicht am 19. Juni auftauchen.

Alle Modelle stehen noch in der „Ruhr Atoll“-Halle an der Ruhrtalstraße 19a in Werden, eine Ausstellungs-Blaupause, die zeigt, was möglich gewesen wäre – und die mit ihren Entwürfen in die Wasserausstellung viele Künstler einbindet, darunter Prominente wie Otto Piene, Tony Cragg, Joep van Lieshout und Bogomir Ecker.

Das Konzept hat Norbert Bauer über die Jahre mit Unterstützung von Ruhr 2010-Geschäftsführer Oliver Scheytt gegen alle Widerstände verteidigt: Ein Künstler und ein Wissenschaftler sollten jeweils gemeinsam ein Kunstwerk schaffen, das sich um Zukunftsfragen rund um das Thema Energie dreht.

Dass da zwei Welten aufeinandertrafen, hörte man an dem Kompliment, mit dem der Physiker Lars Kindermann seinen Kunstpartner Andreas Kaiser schmeicheln wollte. Dieser hat vor das Stauwehr einen Eisberg gesetzt, in dem ein Container voller Messinstrumente und Datenspeicherungseinheiten verborgen ist. Damit soll der energetische Aufwand zur künstlerischen Forschung thematisiert werden. „Hätte ich die Insel im Polarmeer gesehen, hätte ich mich nicht umgedreht“, sagt der Polarforscher.

Aufmerksamkeit zieht aber auf jeden Fall das „Projekt zur Erhaltung der natürlichen Ressourcen“ von Ilya und Emilia Kabakov auf sich, eine absurde Kläranlage mit Wasserklosett, Windmühlen und Schaufelrädern. Sie bewirkt nichts anderes, als das Wasser des Baldeneysees von rechts nach links zu pumpen. Herrlich viel Lärm eines knatternden Ein-Zylinder-Dieselmotors um Nichts.

Auch der Kampf um Energieressourcen wird auf dem Baldeneysee geführt. Zur Machtdemonstration reicht ein U-Boot des Künstlers Andreas M. Kaufmann und des Medienwissenschaftlers Hans Ulrich Reck. „Ich kann, weil ich will, was ich muss“, leuchtet es durch ausgestanzte Öffnungen und die Folie aus 8000 Nachrichtenbildern ins kathedralenartige Innere des Turmaufbaus.

„Frosch und Teemeister“ heißt die Insel von Kazui Katase und Architekt Michael Wilkens, aufgebaut von Ein-Euro-Jobbern der Beschäftigungsgesellschaft „Essener Arbeit“ – was insofern interessant ist, als die Insel künstlerisch für die Grundbedürfnisse des Menschen steht: Fester Boden unter den Füßen, ein Dach überm Kopf, Wasser und Nahrung. Dass der Künstler jedoch verfügt hat, seine Insel solle als einzige der vier Exemplare frei von Menschen sein und nur als „Bild“ auf dem See herumschwimmen, macht sein Anliegen unglaubwürdig und zur schwächsten der vier Werke. Denn ein großer Teil der Faszination des Ruhr Atolls liegt in der Tatsache, dass man selbst bis Ende September auf Entdeckungstour über die Inseln streunen darf.

Die Eröffnungsfeier beginnt heute um 17 Uhr. Es gibt Walking-Acts, eine Gastromeile, Dixiemusik und Gruppen der Folkwang-Universität am Regattaturm, am Wehr und am Hardenbergufer. Um 21 Uhr beginnt eine Talkrunde unter anderem mit Norbert Bauer und Oliver Scheytt. Dazu gibt’s ein großes Höhenfeuerwerk. (NRZ/ Tankred Stachelhaus 12. Mai.2010)


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Die Apfelinsel "Marking Time" von Norbert Francis Attard

Marking Time
Montage: Ruhr-Atoll/Kultur-Konzept-GmbH

Kunst mit Biss

Der Ruhrverband sieht in der  „Apfelinsel“ des Ruhr-Atolls kein ökologisches Problem. Markus Rüdel, Sprecher der für den Baldeneysee und der Qualität des Wassers verantwortlichen Institution, erklärt, dass die 12-15.000 Äpfel des Kunstwerks „Marking time“ des Maltesischen Künstlers Norbert Francis Attard bezogen auf die Fläche des Baldeneysees zu vernachlässigen seien – auch wenn sie im Wasser verfaulen würden. „Die Enten machen da deutlich mehr Dreck.“ Was die Belästigung von Spaziergängern durch Gerüche, angezogene Vögel oder Insekten angeht, so hat die Untere Wasserbehörde ein Hygienegutachten für die Bezirksregierung Düsseldorf als genehmigende Behörde erstellt. Der Tenor ist  laut Amtsleiter Ulrich Hamann: Keine Bedenken, so lange der Veranstalter ein Auge darauf behält. (NRZ / Tankred Stachelhaus 12 Mai 2010)


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Essener Tafel kritisiert „Apfelinsel“

Verein prangert Verschwendung von Lebensmitteln an

Die Essener Tafel protestiert gegen die geplante Ruhr-Atoll-Insel „Marking Time“ des Künstlers Nobert Francis Attard. Derzeit sei das Angebot durch den langen und kalten Winter bei Großhändlern und Supermärkten sehr gering und dementsprechend auch die Abgabe an die Essener Tafel. 

„Für uns ist es völlig unverständlich, dass man in solchen Zeiten, in denen gerade frisches Obst für Kinder und Jugendliche wichtig wäre, auf den Gedanken verfällt, 20.000 frische Äpfel auf einem Ruhr-Atoll verfaulen zu lassen“, teilt der Verein mit, der sich zur Aufgabe gemacht hat, Lebensmittel, die nicht mehr verkauft werden, zu retten und an Bedürftige zu verteilen. 15.000 Menschen werden nach eigenen Angaben wöchentlich versorgt. Appelliert wird an Ruhr-Atoll-Chef Norbert Bauer und den Künstler, die Äpfel der Essener Tafel zu spenden. Auf NRZ-Nachfrage sagt Norbert Bauer, dass er die Arbeit der Tafel sehr schätze und er bereit wäre, sich einer Diskussion zu stellen, „wenn das Kunstwerk fertig ist“.

Ruhr-Atoll-Chef Norbert Bauer verteidigt die „Apfelinsel“ mit dem Titel „Marking Time“, die am 19. Juni zur Extraschicht eingeweiht werden soll. Der maltesische Künstler Nobert Francis Attard wolle mit der Aktion zum Thema „Armut – Verschwendung“ wachrütteln. Es gehe ihm um Sündenfall an der Natur und auch um „Respekt und Opfergabe“. Dass Armenhilfe und Kunst gegeneinander aufgerechnet werden, sei ein immer wiederkehrendes Thema. „Doch die Menschen im Land und in der Welt sind nicht deshalb arm, weil es Kunst gibt.“

Apropos Aufrechnen: Die Statik des schwimmenden Bootshauses am zentralen Anlauf- und Ablegestelle des Ruhr-Atolls war für 70 Personen ausgelegt. Unter dem Besucheransturm drohte die Hütte schon bei weitaus weniger Besuchern in Schieflage zu geraten. Der Grund: Man hatte das Gewicht der eingebauten Gastronomie nicht so recht berücksichtigt. Die Bezirksregierung Düsseldorf soll nun den Zugang ins Bootshaus eingeschränkt haben. Maximal 20 Personen dürfen nur noch über Pfingsten hinein. Danach soll laut Ruhr-Atoll-Sprecher Holger Krüssmann das Problem „technisch gelöst werden“. Anderthalb Tonnen Gastronomiezubehör sind bereits ausgelagert worden. (NRZ / Tankred Stachelhaus 22. Mai 2010)


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„Die Seele nähren“

Norbert Francis Attard nimmt Stellung

Sein ab dem 19. Juni zum „Ruhr-Atoll“ auf dem Baldeneysee gehörendes Kunstwerk mit dem Titel „Marking Time“ hat scharfe Proteste ausgelöst. Unter anderem äußerte die „Essener Tafel“ ihr Unverständnis darüber, dass frische 20.000 Äpfel im Namen der Kunst vernichtet werden. Nun hat sich Norbert Francis Attard in einem Schreiben an die NRZ selbst in die Debatte um seine umstrittene „Apfelinsel“ eingeschaltet.

„Ich fühle mich privilegiert, dass meine Arbeit eine Kontroverse auslöst“, meint Attard. „Denn das bedeutet, dass das Kunstwerk seinen Job macht – nämlich einen Dialog zwischen Menschen mit unterschiedlichen Wahrnehmungen und Auffassungen anzuregen.“ Zur Verwendung der Äpfel sagt Attard: „Essbare Lebensmittel ernähren den Körper, aber ich möchte daran glauben, dass als Medium des Künstlers genutzte Nahrungsmittel die Seele nähren.“ Die Apfelinsel sei eigentlich eine einfache Installation, aber eine, die auch als außergewöhnlich und inspirierend erlebt werden kann.

Er, Attard, so schreibt der Künstler an die NRZ, werde nicht das Gespräch mit allen Verbänden führen, die sich über seine Arbeit äußern. Nur soviel richtet er aus: „Manchmal muss ein Künstler zu drastischen (extremen) Maßnahmen greifen, um einen Punkt zu überprüfen, vielleicht sogar zu treffen."

Mit Absicht habe er gute, essbare Äpfel ausgewählt, um Aussagen über die alarmierende Verschmutzung der Erde deutlicher zu betonen. „Wenn Menschen diesen Zusammenhang verstehen, dann werden sie vielleicht die positive Seite von meiner Absicht erkennen“, hofft Norbert Francis Attard. (NRZ / Tankred Stachelhaus 5.Juni 2010)


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Apfelinsel kommt später

Die umstrittene „Apfelinsel“ auf dem Baldeneysee soll nun erst in etwa 14 Tagen eingeweiht werden und nicht wie angekündigt zur „Extraschicht“ am 19. Juni. Ruhr-Atoll-Chef Norbert Bauer: „Da würde das Werk untergehen.“ Stattdessen will man die neue Atoll-Beleuchtung erstmals einschalten. Ebenfalls später soll der „Rettungsring“ auf der Insel unterhalb des Wehrs installiert werden – wenn überhaupt. Der Stahlring ist produziert, doch Behörden hätten jetzt laut Bauer Bedenken angemeldet für den Fall, dass sich ein Baumstamm verhakt. (NRZ / Tankred Stachelhaus 15.Juni 2010)


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Übertritt in andere Daseinsform

Aspekte zur Arbeit "Marking Time" von Norbert Francis Attard

Als „Nahrung zum Denken“ sieht Norbert Francis Attard die Äpfel, die in den Baldeneysee eine weitere Insel „Marking Time“ des Ruhr-Atolls bilden sollen. Auf die „alarmierende Verschmutzung der Erde“ will der Künstler aufmerksam machen. Das macht aber BP im Golf von Mexiko viel eindrucksvoller. Dennoch könnte das sich im leichten Wellengang des Baldeneysees stetig verändernde Kunstwerk ein ästhetisch-hintergründiges Erlebnis werden.


Malta und der Baldeneysee

Beim Anblick des Baldeneysees muss Norbert Francis Attard das Wasser im Mund zusammengelaufen sein. Von solch üppigen Wasserreservoiren nebst eingespielter Bewirtschaftung durch den Ruhrverband können Malteser nur träumen. Der südeuropäische Inselstaat Malta ist laut den Vereinten Nationen das wasserärmste Land der Welt. Die Knappheit prägt das Leben der rund 400.000 Inselbewohner. Ein Teil des Elementarsten aller Grundnahrungsmittel wird importiert, so wie die Äpfel während der Sommermonate nach Essen. Die Knappheit und Verteilung der Ressourcen ist ein wichtiges Element des Werks auf dem Baldeneysee.


Äpfel im Sommer

Äpfel erntet man in Essen nicht im Sommer, und in der Apfelinsel schwingt auch die Kritik mit, dass es Irrsinn sei, Energie dafür aufzuwenden, die Früchte von Neuseeland herzuschaffen oder so lange im Kühlhaus zu verwahren.


Avalon in Essen

Malta war von 1800 bis 1974 unter britischer Verwaltung – und die Sagen der Briten dürften eine Rolle auf der Insel spielen. Sicher auch diese Episode aus der Gralsgeschichte: Schwer verwundet zog sich König Artus nach der Schlacht von Camlann nach Avalon zurück, der als ein im Nebel verborgener Ort im Wasser beschrieben wird. Nur Eingeweihte, die die Macht haben, die heilige Barke zu rufen, würden den Weg durch den Nebel finden. Die Waliser nennen Avalon „Ynis Avalach“, die „Apfelinsel“. Sie ist ein Ort der Verheißung, aber auch der Heilung und des Übertritts in eine andere Daseinsform. Mit der Essener Apfelinsel wird das aufgegriffen. Sie ist zwar für alle sichtbar und auch mit der Barke „Tretboot“ ansteuerbar – doch wer sie betritt, fällt ins Wasser.


Paradiesische Zustände

Im Paradies gibt es keine Knappheit, aber auch keinen Überfluss. Die ungleiche Verteilung der Ressourcen setzte mit dem Sündenfall ein, dem Verstoß gegen Gottes Gebot, klar: den Biss in den Apfel. Seitdem trägt der Mensch die Verantwortung für sein Tun und die Apfelinsel erinnert ihn aufmunternd auch daran.


Gespielte Empörung

Darf man mit Lebensmitteln spielen? Künstler, die Nahrung als Material verwenden, spricht man durch das Verb „spielen“ ihre Ernsthaftigkeit ab. Da erübrigen sich jede weitere Diskussion. Beispielsweise auch darüber, dass zu den beliebtesten Farben die schon seit Jahrhunderten verwendete Eitempera gehört, in welche pro Liter drei bis vier Eier geschlagen werden. Oder dass man Kindern die selbstgeschnitzten Kartoffelstempel aus der Hand reißen sollte.


Geprüftes Stilleben

Für den Ruhrverband sind die 20.000 Äpfel hinsichtlich der Wasserqualität „Peanuts“, auch wenn sie verfaulen. Aber genau letzteres ist umstritten. Die Veranstalter sagen: Die Äpfel verfaulen nicht (wobei das in gewisser Weise dem Konzept von Attard widersprechen würde).

Die Bezirksregierung traut dem Fruchtbraten indes nicht und besteht darauf: Sollte von der Insel eine Belästigung der Seenutzer durch Gestank oder Insektenbefall ausgehen, so ist die Zeit für „Marking Time“ abgelaufen. Die Insel wird abgebaut. Nach Protesten sieht man sich in der Bezirksregierung jedoch zu einer neuerlichen Prüfung veranlasst (manche sagen: das Projekt wird zu Tode geprüft). Diese läuft laut Auskunft der Behörde noch. Die Ruhr-Atoll-Macher haben ein Gutachten von Werner Mehldorn, Professor für Biologie an der Heinrich Heine-Universität Düsseldorf, eingereicht. Darin heißt es, dass die Äpfel durch die Bewegung stets mit Wasser benetzt werden würden – und der Biologe deshalb keine Bedenken habe, dass die Frucht Brutplatz für Fliegen und Nahrung für Wespen wird.

Wer die Stilleben der flämischen Altmeister schätzt, in denen es neben appetitlichen Früchten und wunderschönen Blumen auch immer Maden, Fliegen und anderes Ungetier als Demut forderndes Zeichen dafür gab, dass Schönheit vergänglich ist, wird dies bedauern. (NRZ / Tankred Stachelhaus 13.Juli 2010)


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Ruhr-Atoll: Aus für "Marking Time"

Apfelinsel wird nicht realisiert

Nachdem der Rettungsring "Local/Global" de facto abgesoffen ist, steht nun auch das Aus für die umstrittene Apfelinsel "Marking Time" fest. Ruhr Atoll-Sprecher Holger Krüssmann bestätigt auf WN-Nachfrage, dass das Werk des maltesischen Künstlers Norbert Francis Attard auf dem Baldendeysee nicht realisiert wird.

Was weder die Proteste gegen die Verschwendung von Lebensmitteln, noch Bedenken hinsichtlich einer Geruchsbelästigung vermochten, schaffen nun organisatorische Probleme. Zum einen liege zwar eine Genehmigung der Bezirksregierung vor, doch sei der Standort innerhalb des Atoll-Ensembies noch nicht gefunden worden. Erwartet werden lange Abstimmungsprozesse, die die Zeit, wo die Apfelinsel zu sehen wäre, weiter verkürzen würden. Zum andere hat man laut Krüssmann angesichts beschränkter Mittel in den sauren Apfel beißen müssen.

Zwar hat das Kunsthaus Langenberg gerade rund 10.000 Euro für das Ruhr-Atoll gespendet, mit dem das Baldeneysee-Kunstwerk aus rund 20.000 Äpfeln finanziert werden könnte. Doch man bevorzugt nun angesichts der nur noch zwei verbleibenden Monate das Geld lieber in eine umfangreiche Dokumentation des Ruhr-Atolls zu stecken, sprich: in einen abschließenden Katalog, in welchem alle am Projekt beteiligten Künstler mit ihren Kunstwerke gewürdigt werden - auch diejenigen, deren Werke nicht verwirklicht wurden. Letztlich, so Krüssmann, würde dann auch Apfelinsel-Künstler Norbert Francis Attard mit seinem Konzept dort auftauchen. "Norbert Francis Attard wird die Präsenz erfahren, die der intensiven Auseinandersetzung um sein Werk gerecht wird" (WN/Tankred Stachelhaus 13. August 2010).


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Absage der Apfelinsel "unverständlich"

Bezirksregierung weist "schwarzen Peter" zurück

Die Absage der Apfelinsel "Marking Time" hat ein Nachspiel. In einer ungewöhnlich schroffen Mitteilung wehrt sich die Bezirksregierung gegen den Eindruck, mit hohen Auflagen das umstrittene Kunstwerk auf dem Baldeneysee verhindert zu haben.

In der vergangenen Woche hatte die Ruhr-Atoll-Leitung in einer verbreiteten Erklärung unter anderem geschrieben: "Nach der durch die Bezirksregierung Düsseldorf erteilten wasserrechtlichen Genehmigungen waren in der Platzierung Vorgaben zu erfüllen, die das Objekt nicht mehr in der Nähe von Ufer und Stauwehr gehalten hätten, sondern in der Mitte des Sees." Der künstlerische Leiter Norbert Bauer: „Dadurch wären wir entweder mit der Schifffahrtlinie der Weißen Flotte in Gehege gekommen oder wir hätten in das bestehende Ensemble von Iceberg und Teehaus eingreifen müssen. Beides wäre nicht im Sinne des Gesamtprojekts und auch nicht im Sinne des Künstlers Norbert Attard gewesen.“

Die Bezirksregierung reagierte prompt und wies den "schwarzen Peter bei der Genehmigung entschieden zurück." Mitte Juli sei die Apfelinsel genehmigt worden. Bei einem Ortstermin habe man im Beisein und unter Zustimmung von Bauer eine Stelle auf dem See vereinbart, "die sowohl den künstlerischen, kommerziellen als auch schifffahrtstechnischen Anforderungen gerecht wird." Zur Absage der Apfelinsel hieß es in dem Schreiben: "Dies ist völlig unverständlich vor dem Hintergrund, dass alle Genehmigungshindernisse ausgeräumt werden konnten." Nun ruderte Bauer zurück: Die gemeinsam mit Ruhrverband und Bezirksregierung gefundene Lösung abseits von Ufer und Stauwehr sei ein Kompromiss gewesen, der nach erteilter Genehmigung "über das Verhältnis von Aufwand und künstlerischer Wirkung" nachdenken ließ. "Von Schuldzuweisungen, Behördenschelte oder ,schwarzer Peter` war von uns aus zu keiner Zeit die Rede. Im Gegenteil: Sowohl Ruhrverband wie Bezirksvertretung haben uns während der ganzen Projektzeit hervorragend unterstützt und in jeder Hinsicht fair behandelt." (NRZ/Tankred Stachelhaus 20. August 2010)


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